Eine Wandmalerei aus dem späten 14. Jahrhundert.

Wie ich waren vielleicht schon viele zu Konzerten oder Schulveranstaltungen im Kulturzentrum der ehemaligen Karmeliterkirche in der Luitpoldstraße und haben immer nur den Vorhang zu Gesicht bekommen, welcher den Chor verstecken soll. Aber hinter dem Vorhang ist ein wahres Meisterstück an der Nordwand zu sehen. Nämlich eine Volto Santo Darstellung aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Nicht nur das Entstehungsdatum ist bemerkenswert, sondern auch der gute Erhaltungszustand. Wie ich das Wandgemälde das erste Mal betrachtet habe, konnte ich gar nicht glauben, dass eine mittelalterliche Wandmalerei so exzellent in Farbigkeit und Vollständigkeit erhalten ist. Durch mein Studium bin ich da durchaus anderes gewohnt, wie man auch bei den restlichen Wandmalereien in der Karmeliterkirche sehen kann, welche wohlgemerkt zu einem späteren Zeitpunkt entstanden sind.
Nun aber zum Volto Santo. Die Wandmalerei war bis 1914 unter zwei Kalktüncheschichten verborgen, bis ein Kirchenmaler diese entdeckte, zu einer kompletten Freilegung kam es aber erst im Jahr 1928. Die Darstellung zeigt zentral Christus an einem steinernen Kreuz, welches von einem Altar aufragt. Er trägt eine Krone und ist gekleidet in eine dunkelviolette und lange Tunika. Christus trägt ebenfalls reich verzierte Schuhe, der linke aber liegt vor ihm auf dem Altar. Wem diese Darstellungsweise des Christus am Kreuz unbekannt vorkommt, ist nicht alleine, denn diese gibt es im süddeutschen Raum nur selten. Fun Fact: die Volto Santo Darstellung in Weißenburg ist sogar die früheste bekannte Darstellung dieser Art im deutschsprachigem Raum.
Wichtig, um das Wandgemälde verstehen zu können, ist der Geige spielende Spielmann in der unteren linken Bildecke. Die Darstellung des Christus in langer Tunika und dem Spielmann, welchem ein Schuh zugeschoben wird, geht auf das Wunderbild des Volto Santo in Lucca zurück. Ein geschnitztes Kruzifix aus dem späten 12. oder 13. Jahrhundert. Verbunden mit diesem Kruzifix wird meist eine Spielmannlegende, welche besagt:
“Drei Kruzifixe sollen angefertigt werden, nach den Angaben der Brüder Nikodemus, Josef von Arimathia und Cosmas. Die Kruzifixe werden anschließend ins Meer geworfen. Eines von ihnen kommt nach Lucca. Es ist das von Nikodemus. Dort sang einst zu seinen Ehren ein armer, hungriger Spielmann, da stieg der Heilige Geist herab und ließ den Kruzifixus sich bewegen und sprechen. Der rechte Fuß hebt sich vom Nagel und wirft dem Spielmann seinen kostbaren Schuh zu. Der Bischof kommt hinzu und fordert Jenois [den Spielmann] auf, den Schuh zurückzugeben; nur wenn ihm der Schuh zum zweiten Male zugeworfen würde, dürfte er ihn behalten. Als der Kruzifixus den Schuh wieder bekommen soll, wirft er ihn aber zornig zurück und befiehlt, der Spielmann solle den Schuh behalten, nur wer ihn teuer bezahle, dürfe ihn dem Beschenkten nehmen. Nun wünscht der Bischof den Schuh zu kaufen. Schließlich wurde man auf diese Weise handelseins, daß der Schuh mit Gold und Silber gefüllt würde.” (Mödl, Gustav: Weißenburger Kulturfenster. Der Weg eines Klosters durch die Jahrhunderte. Weißenburg i. Bay. 1983.)
Auch eine Inschrift bestätigt den Zusammenhang mit dem Kruzifix von Lucca, welche lautet: „Ditz pilt bedut d(a)z heilig crutz von lukg d(a)z got drug auf sei(ne)m rukg.“ Verständlicher ausgedrückt bedeutet die Inschrift so etwas wie: ” Dieses Bild bedeutet das heilige Kreuz von Lucca, dass auf seinem Rücken getragen wurde”
Nun stellt sich vielleicht Einigen die Frage, wie eine Darstellung, welche in Italien weit verbreitet war, hier nach Weißenburg kam. Die Antwort lässt sich im Wandgemälde selbst finden. In der unteren rechten Bildecke ist nämlich das Stifterehepaar abgebildet. Zwischen den beiden knienden Stiftern ist das Wappen der Familie. Dieses konnte der Familie Rigler aus Weißenburg zugeordnet werden. Lange war man in der Literatur der Annahme, dass Ulrich Rigler den Volto Santo gestiftet hat, weil er der vermögendste der Riegler war. Doch man konnte nicht nachweisen, dass Ulrich jemals dort in Italien war, wo eine italienische Darstellung gewesen wäre. Doch der unbekanntere Johannes Riegler war ein Soldat und war nachweislich 1347 in Pisa, wo der Volto Santo verehrt wurde. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass der hier abgebildete Johannes Riegler ist.
Der Künstler dieser herausragenden Wandmalerei ist uns heute leider nicht mehr bekannt. Wahrscheinlich handelt es sich aber um einen Künstler aus Nürnberg, da stilistische Ähnlichkeiten zu Wandmalereien im ehemaligen südlichen Kreuzgangflügel des Katharinenklosters in Nürnberg zu finden sind. Eindeutig stand der Künstler unter böhmischen Einfluss, erkennbar ist dies an der hakenförmigen Nase und den weit geöffneten Augen des Christus. Diese Darstellungsart lässt sich ab 1365 besonders in Prag und anschließend in weiten Teilen von Böhmen finden.
Für Besucher ist es schwierig den Volto Santo zu besichtigen, da die Karmeliterkirche nur zu Veranstaltungen ihre Türen öffnet. Wie oben beschrieben kommt dann meist hinzu, dass der Vorhang zum Chor heruntergelassen ist, oder die Sicht durch die große barocke Orgel versperrt ist. Mir war aber wichtig das Wandbild hier als ersten Eintrag vorzustellen, weil eben nicht Viele von dem kulturell wertvollen Wandbild wissen oder eine Chance haben es selbst zu besichtigen.
Verwendete Literatur:
- Kießling, Gotthard (Hrsg.): Stadt Weißenburg i. Bay. (= Denkmäler in Bayern Bd. V.70/2). München 2001.
- Mödl, Gustav: Weißenburger Kulturfenster. Der Weg eines Klosters durch die Jahrhunderte. Weißenburg i. Bay. 1983.
- Müller, Arndt: Das Volto-Santo-Wandbild in der Karmeliterkirche zu Weißenburg i. Bay.. In: villa nostra – Weißenburger Blätter Geschichte. Heimatkunde. Kultur 1/3 (2012).
- Schädler-Saub, Ursula: Gotische Wandmalereien in Mittelfranken. Kunstgeschichte Restaurierung Denkmalpflege (=Arbeitshefte des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Bd. 109). München 2000.
Abbildungsnachweis:
Volto Santo, public domain, via Wikimedia Commons
Sehr interessant, weiter so!!
Interessant, was sich so in der Heimat versteckt. Freue mich auf deinen nächsten Beitrag.
Tolle Idee, tolle Umsetzung!!
Ich freue mich auf den nächsten Beitrag und bin gespannt an welchen Schätzen man in Wug und Umgebung jahrelang achtlos vorbeispaziert ist!