Ein Friedhof im Fallgarten der Wülzburg.
In dem Beitrag über die Wülzburg wurde der Russische Friedhof bereits erwähnt, doch verdient er mehr Aufmerksamkeit als nur eine Erwähnung. Denn der Russische Friedhof offenbart die dunkle Vergangenheit Weißenburgs während des 2. Weltkrieges.
Während des 2. Weltkrieges diente die Wülzburg als Internierungslager für Zivilisten. Zu Kriegsbeginn wurden Briten, Franzosen, Belgier und Niederländer interniert, deren Behandlung verhältnismäßig gut gewesen sein soll. Im Sommer 1941 wurde die Verlegung der bisherigen Gefangenen angeordnet, um Platz für rund 1.000 sowjetische Zivilisten zu schaffen. Es handelte sich hauptsächlich um Bürger der Sowjetunion, Zivilisten und Matrosen, die zum Zeitpunkt des Überfalls auf Russland in Deutschland, Polen oder Tschechien lebten. Diese Gefangenen wurden zur Zwangsarbeit in Weißenburger Betrieben verurteilt. Aufgrund schlechter Haftbedingungen und schwerer Arbeit verloren etwa 40 Menschen ihr Leben. Darunter war auch der aus einer deutsch-jüdischen Familie stammende Prager Komponist und Pianist Erwin Schulhoff (1894-1942), der an Tuberkulose verstarb.
Wie man mit den Verstorbenen umging, ist ein düsteres Kapitel der Weißenburger Geschichte. Zwei zu Kriegsbeginn verstorbene Schotten wurden noch am nahegelegenen Ostfriedhof bei der Wülzburg beerdigt. Die sowjetischen Toten jedoch wurden nicht auf einem Friedhof bestattet, sondern lediglich im ehemaligen Fallgarten (heute zwischen den Wohngebieten am Gartenfeld und den Sommerkellern) begraben. Für alle, die nicht wissen, was ein Fallgarten ist: Dort arbeiteten die Abdecker und Wasenmeister, deren Aufgabe es war, Tieren das Fell abzuziehen und deren Knochen auszukochen. Die Reste der Tiere wurden im Fallgarten vergraben. Die sowjetischen Toten wurden also neben den Überresten der Tiere verscharrt, was als unwürdig zu betrachten ist. Zudem wurden die Toten nicht in einem Sarg beerdigt, sondern meist nur in Asphaltpapier oder Matratzen gewickelt.
Nach dem Krieg geriet in Vergessenheit, dass im Fallgarten nicht nur Tierreste, sondern auch Menschen begraben waren. Erst im Oktober 1989, als ehemalige Internierte ihre Freunde und Familie besuchen wollten, veranlasste die Stadt die Anlage in ein angemessenes Mahnmal umzuwandeln. Heute stehen auf dem Russischen Friedhof drei bepflanzte Gräberreihen mit 40 kleinen Kreuzen. Für den Pianisten Schulhoff wurde ein Findling mit Gedenktafel errichtet. Zudem wurde 1995 eine Dreieckstele aus Jura-Kalkstein vom Eichstätter Steinmetz und Bildhauer Günter Lang aufgestellt. Auf der Stele sind die bronzenen Symbole David-Siegel, Kreuz mit Fisch und Halbmond zu finden, die die drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam repräsentieren.

(Weitere Abbildungen vom Friedhof findet ihr hier. Diese sind urheberrechtlich geschützt, deswegen durften diese nicht direkt in den Beitrag eingefügt werden.)
Der Stadtschreiber Franzobel schrieb 2017: „Seither wurden zwar Andreaskreuze und eine Stele errichtet, hat eine Delegation Überlebender der Wülzburg-Internierung den Friedhof besucht, aber ein gewisser Hautgout haftet diesem traurigen, verwunschenen, irgendwie verdrängten Ort noch immer an, dessen Bezeichnung „russischer Friedhof“ eigentlich ein Euphemismus ist.“ Es ist bedauerlich, dass am Friedhof selbst keine Infotafel angebracht wurde, die den wahren Hintergrund aufzeigt. Denn das Schicksal dieser Menschen während des Nationalsozialismus ist heute kaum noch erkennbar. Doch nun kennt Ihr die Geschichte des Russischen Friedhofs in Weißenburg. Hoffentlich folgt bald eine Infotafel oder Ähnliches, damit auch andere Besucher Zugang zu diesen Informationen haben.
Literatur:
- Große Kreisstadt Weißenburg i. Bay. (Hrsg.): Kammerl, Reiner: Brunnen, Denkmäler und Skulpturen in Weißenburg. Eine Bestandsaufnahme. In: villa nostra – Weißenburger Blätter (1/2015).
- Große Kreisstadt Weißenburg i. Bay. (Hrsg.): Kammerl, Reiner: Der ‘Russische Friedhof’ im ehemaligen ‘Fallgarten’. In: villa nostra – Weißenburger Blätter (3/2010).
Internetquellen:
Abbildungen:
Findling Erwin Schulhoff , Mef.ellingen, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Danke Eva für deine interessanten Beiträge, ich merke wie wenig ich über meine Heimat informiert bin